14.04.2013

Akzeptanz


Schnell noch das Buch weiterlesen.
Schnell noch das Kind abholen.
Schnell noch den Sonnenuntergang fotografieren.
Schnell nach Hause.
Schnell was zu essen besorgen.
Schnell zum gemütlichen Teil des Tages übergehen.
So mein Plan.

Das Leben hatte einen anderen parat.
Einen, der mir (vorerst) nicht gefiel.

Denn nach dem Sonnenuntergang war Schluss.
Was folgte, war Entschleunigung und jede Menge Lebensweisheit.


Das Leben lehrte uns den Umgang mit der momentanen Unveränderlichkeit der Dinge. Es lehrte uns das achtsame Warten. Und die Dankbarkeit. Es schenkte uns einen kompletten Sonnenuntergang, anstatt einer schnell aufgenommenen Fotografie.

Manchmal meint man, dieses und jenes haben zu müssen und wenn sich nicht alles so entwickelt, wie wir es uns vorgstellt haben, dann macht uns dies verdrießlich. Wir finden, der Kern des Universums zu sein und es möge sich alles um uns herum so einstellen, wie wir es haben wollen. Und dann stolpern kleine, fast unscheinbare Ereignisse im großen Weltgefüge daher. (Wie sehr hat es wohl gestern den Rest der Welt interessiert, dass wir um 19.32 Uhr am Flughafen festhingen und andere Pläne für diesen Abend hatten?) Der Abbruch meiner Pläne bewies nicht, dass wir klein und unscheinbar sind, aber er zeigte auf, dass es manchmal Zeit ist, in sich zu gehen. Zeit, um zu lernen, dass Azeptanz der einzig richtige Weg ist, um dann der Kreativität geschuldet, neue, andere Wege zu beschreiten. Sich selbst herauszunehmen aus dem Zentrum der vermeintlichen Welt, die man sich erschaffen hat.
Und dass es gut ist, wenn man andere Menschen um sich herum hat, egal woher der Wind sie getragen hat. Ob man sie wollte oder nicht.

Wir warteten.
Auf den gelben Engel.

Die ersten Minuten sind nervenaufreibend, wenn der Hunger plagt und die Kälte beginnt, in den Hosenbeinen hinaufzuklettern. Gegen Kälte gibt es Decken im Auto, die ich dem Kindelein umlegte. Gegen den eigenen Hunger gab es einen grandiosen Sonnenuntergang. Bis zum Schluss. Und wiederkehrenden Humor, nachdem ich akzeptiert hatte, was nicht zu ändern war.

In jenem Moment fiel mir ein Buch ein, das ich gerade lese: De Bonos neue Denkschule. (Ich gebe euch absichtlich keinen Link zu Am*zon - unterstützt doch bitte einfach den nächstgelegenen Buchhändler, anstatt den Buchmonopolisten, der uns so grandios eine Community vorgaukelt ... oder geht in die Bibliothek). De Bono schreibt so vortrefflich über die Analyse einer Sache, dass man nur mal alle Dinge aufstellen muss, die dieses Thema betreffen, gelistet nach Pluspunkten, Minuspunkten und interessanten Aspekten. Letzteres sind alljene Betrachtungen, bei denen man noch nicht weiß, ob man sie positiv oder negativ beurteilt, Fragen, die die Plus- und Minuspunkte aufwerfen. Eigentlich ganz einfach und dennoch immer wieder vergessen, oder? Und schlussendlich muss man nach dieser Auflisterei noch nicht zu einem Ergebnis kommen. Aber es macht flexibler im Umgang mit festgefahrenen Gewohnheiten, Ansichten, Lebenseinstellungen.

Auf dem Heimweg freuten wir uns, dass wir den Sonnenuntergang von A bis Z genießen konnten und fanden, dass uns der Stopp sehr gut getan hatte. Wir wussten die Hilfe anderer zu schätzen. Wir winkten der Mondsichel zu, die wir sonst nicht gesehen hätten, freuten uns über die Sterne am Firmament. Wir analysierten, wieso man manchmal die Musik im Auto sehr laut hören mag und an anderen Tagen wieder nicht (Habt ihr euch jemals bewusst darüber Gedanken gemacht?) und amüsierten uns köstlich darüber, dass man aus Macht an Gewohnheit an vermeintlich roten Ampeln hält, obwohl diese um die Uhrzeit schon längst ausgeschaltet sind.

Und wir fragten uns, wieso es manchen Menschen so schwerfällt, Andere in ihrem Sein, mit ihren Ansichten zu akzeptieren und in ihnen nur das Negative zu sehen, anstatt sich durch sie bereichern zu lassen. (Nichts anderes als in unserer Flughafensitaution). Man bekommt etwas "geschenkt", was man so nicht haben möchte. Man kann auf seiner eigenen Meinung beharren und damit alles zunichte machen, was es Schönes an diesen zwischenmenschlichen Beziehungen geben könnte. Man kann aber ebenso geneigt sein, sich selbst zurückzunehmen und dem Anderen das Gefühl geben, in seiner Einzigartigkeit etwas zum gelungenen Miteinander und dem gemeinsamen Spaß beizutragen.
Der kleine Mann ist in solchen Dingen grandios. Er legt Sichtweisen an den Tag, die mit geschwungener Keule Wahrheiten offenbaren, die man nicht sehen möchte, weil sie einem unangenehm sind. Derweil spiegelt er so herrlich, womit man sich unbedingt befassen sollte. Am Morgen noch sagte er zu mir: "Wieso können wir nicht mal entspannt hetzen?" und brachte auf den Punkt, was ich mir so oft wünsche.

Entspannt hetzen.
Entschleunigen.

Ich würde sagen, gestern abend hat das ganz zu unserem Wohlbefinden sehr gut geklappt.

Und dafür brauchte es nur einen kleinen Anlass.
Einen (nichtfunktionierenden) Anlasser.

In diesem Sinne ist unsere ganz persönliche Sonntagsfreude das großartige Wort Akzeptanz.



20 Kommentare:

  1. Schön! Einfach nur schön, wie und was du schreibst....
    Es ist gut, wenn Pläne nicht aufgehen, weil das Raum für Leben gibt
    Herzlichst
    yase

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  2. Ach, das kommt mir irgendwie sehr bekannt vor...und hat man erst einmal wirklich akzeptiert, dass man sich von Plänen verabschieden muss, kann das manchmal sehr befreiend sein...ENTSPANNT HETZEN...muss ich mir merken...einfach großartig....LG Lotta.

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  3. Liebe Katja, das war ein schöner Bericht über eine bereichernde Erfahrung. Mir fiel dabei ein Zitat ein, ich kann es nur sinngemäß wiedergeben, vom Frere Roger, dem Gründer von Taize:
    Ich möchte Menschen ansehen, wie ich Sonnenuntergänge sehe. Da sag ich nicht: hier etwas mehr orange, da bitte das blau dunkler und oben Rechts bitte einen Tupfen violett. So wie sie sind möchte ich die Menschen sehen . Genau so. So schön.
    Dir und Deiner Familie noch einen schönen Sonntag wünscht
    Lisa

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  4. Ein ganz großartiger Post, der mir sehr aus der Seele spricht, habe ich mich gerade in den letzten Jahren auch sehr intensiv mit dem Thema befasst: warum muss ich den ganzen Tag "mal eben schnell"..., warum wird jede Abweichung vom selbst aufgestellten Plan als persönliche Beleidigung empfunden? Warum muss alles immer "perfekt", sprich nach meinen Vorstellungen laufen? Die Sichtweise ändern, Abweichungen akzeptieren und auch einfach mal das Wesentliche ins Auge fassen. Was ist denn WIRKLICH wichtig? Und da sind Kinder ganz hervorragende Helfer.
    In diesem Sinne einen entspannten Sonntag!
    Billa

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  5. Leben ist das, was passiert,
    während du eifrig dabei bist,
    andere Pläne zu machen,
    Zitat John Lennon

    Liebe Katja,
    tolle Gedanken hast Du aufgeschrieben.
    Das Buch habe ich mir notiert. Ich bestelle seit Jahren meine Bücher über einen kleinen aber feinen Buchladen vor Ort, mittlerweile per Mausclick, die Inhaber leiten meine Bestellung an ihren Großhändler weiter und von dort bekomme ich die Bücher per Post zugeschickt, meist am nächsten Tag. A...n bleibt außen vor.
    herzlich Judika

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  6. Genau das, was ich zur Zeit brauche. Dein Post hat es mal wieder bestätigt. Das was nicht zu ändern ist zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen. Und das Komische ist, es hat auch gute Seiten und eröffnet dir andere Sichtweiten und Wertschätzungen.
    Und die Kinder, sind sie nicht klasse?? Manchmal denke ich, sie sind viel weiser als wir Erwachsenen. Noch nicht so vorgefasst mit den ganzen Lasten und Erfahrungen, die wir tragen. Und haben so den Vorteil alles realer und unbewerteter zu sehen. Schon ein weiser Spruch "Entspannt zu hetzen". Was sagt der weise Chinese? Hast du es eilig, gehe langsam!
    In diesem Sinn wünsch ich euch ein schönes ent-spanntes aber spannendes Wochenende!!!
    Liebe Grüße
    Claudia

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  7. Ein ganz wunderbarer Post mit ganz wunderbaren Gedanken, die Du da mit Dir und an uns heran trägst. Danke dafür, aus vollstem Herzen!

    Auch bei uns ist das Thema Entschleunigung gerade ein ganz grosses, wenn auch erst mal nur als Plan. Der sieht so aus: "Wenn wir den Umzug hinter uns gebracht haben, dann..." oder "Wenn wir erst mal im neuen Haus sind, dann aber echt, also ganz echt..."
    Und so planen wir unsere Entschleunigung und hetzen durch den Tag. Warum eigentlich? Warum nicht mal anhalten und innehalten und nicht immer nur (davon)laufen?
    Entspannt hetzen - das ist ein prima neuer Leitspruch, vorerst mal. Und das mit der Entschleunigung bekommen wir dann auch noch hin.

    Allerliebste Grüße und ein grandioses Wochenende!

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  8. Bei dem ganzen "mal eben schnell" ist das Leben mal eben schnell an einem vorbei gerauscht. Es ist so wichtig zu lernen, sich Zeit zu nehmen, Momente zu genießen. Ich merke es, wenn ich mit Hund Mozart sein Gassi mache. Habe ich keine Zeit und Stress, lässt er sich ewig Zeit, schnuffelt doppelt und dreifach herum und am Ende macht er doch nicht sein Geschäft und ich muss eine Stunde später nochmal raus. In diesen Momenten lerne ich immer wieder langsamer zu sein.

    LG verena

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  9. Liebe Katja,

    das hast du aber schön gesagt, da kann man eigentlich nichts mehr hinzufügen. Es ist doch wunderbar, daß manche Umstände plötzlich Dinge in einem anderen Licht erscheinen lassenund die Augen öffnen...

    Liebe Sonntagsgrüße,
    Sabine

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  10. Liebe Katja,

    habe ich dir schon einmal gesagt, wie sehr ich deinen Schreibstil mag? Ob das woh l an dem Vornamen liegt? Bekommen Katjas die Gabe, sich wunderbar auszudrücken mit in die Wiege gelegt? ;)

    Die meisten von uns finden es schwer, sich mit unerwarteten Änderungen abzufinden, anzufreunden, ihnen das Beste abzugewinnen. Mir gelingt es auch in den meisten Fällen nicht, aber je älter ich werde, desto stärker versuche ich das, was nicht zu ändern ist, zu akzeptpieren. Ich habe noch einen weiten Weg vor mir, aber heute habe ich dank deines Posts mindestens einen weiteren Schritt zum Ziel hin gemacht.

    Liebe Grüße und schönen Sonntag

    Rebekka

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  11. Och ja, entspannt hetzen. Seeeeehr gut! Ich bin auch seit Anfang des Jahres dabei, mein (arbeits) leben zu Entschuldungen. Klappt ganz gut ist aber noch ausbaufähig.
    Lg Mickey

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  12. ich find dich toll! und grüß dich herzlichst
    birgit
    ps. "entspannt hetzen" könnte tatsächlich zur parole werden...ich werds morgen gleich mal in der schulhektik verbreiten...

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  13. Liebe Katja,

    ja dieses schnell mal das und schnell mal dies kenne ich auch sehr gut.

    Dieses schnell noch ist so sehr in unsren Sprachgebrauch integriert, daß wir es nicht mal mehr merken wie oft wir es benutzen und es desöfteren in einem Widersinn zu der anstehenden Tätigkeit steht die wir erledigen wollen.

    Die Logik Deines Sohnes ist faszinierend und ich bewundere Kinder für ihre ihnen so eigene Sicht der Dinge.
    Es ist eben wie Reinhard Mey singt, Kinder sind Riesen.

    Achja und um ganz ehrlich zu sein, ich genieße immer öfter die Momente in denen ich scheinbar ausgebremst werde.In Wirklichkeit sind es unwiderbringliche Sekunden angefüllt mit Unendlichkeit.

    Liebe Grüße

    Elisabeth

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  14. Ist das schön! So unverhofft den Blick für das Wesentliche öffnen zu können, ist auch eine Gabe, glaube ich. Danke für dein Erzählen (und das wunderbare Bild)... es tut so gut!
    Alles Liebe. maria

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  15. Entspannt hetzen nehme ich auf alle Fälle mit!!!!!!!!!!!!!!
    Ungebetene Geschneke anzunehmen ist nicht leicht und vielleicht auch manmchmal nur mit so einem klugen Copiloten genießbar!
    Entspannte Grüße kaze

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  16. danke für diesen wundervollen Text, allzu oft rast man unbewusst durch die Gegend, verliert sich im gestern oder morgen und das Jetzt bemerkt man gar nicht mehr! einlassen auf das was ist, im Moment sein, ihn nicht zu bewerten, auch man es sich doch ganz anders vorgestellt hatte, danke für Dein Beispiel du hast das Unerwartete zu einem Glücksmoment gewandelt, schön!
    Habt eine schöne Frühlingswoche,
    Silke

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  17. Ein wunderbarer Post mit schönen Gedanken.
    Danke!
    Alles Liebe
    Dania

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  18. Wie schön, dass ich mich noch ans Nachlesen gemacht habe bei dir... Ich bin eine Meisterin im Ausgebremstwerden (vielleicht nun doch mal "gewesen"?) und jedes Mal, durch jedes Ausgebremstwerden, bin ich innerlich ein Stück reicher geworden... und äußerlich langsamer... Lieben Gruß Ghislana

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  19. Schön geschrieben liebe Katja. Ja, manchmal werden wir ausgebremst, jäh und unvorbereitet und dann kann man ganz viel jammern und leiden, oder man kann versuchen die Situation zu akzeptieren und das Beste draus zu machen. Manchmal ist der rüde Nothalt auch notwendig, um unsere Aufmerksamkeit wieder aufs Leben zu lenken, anstatt aufs Hetzen.
    Sei herzlich gegrüßt - Katja

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  20. Du bist mir ja eine Tanzmaus, erzählst kein Wort....
    Da muss man erstmal ins Internet. Die Krämerin

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Schön, dass du hier bist. Ich freu mich sehr über ein nettes Wort oder zwei oder drei :-)